1. Station: Immobranche
Ein Job, in
den ich mich hineingerettet hatte, weil arbeitslos und kalte Füße meiner
finanziellen Situation wegen. Von Beginn an wissend, dass ich dort wahrscheinlich nicht
bleiben kann mit meiner sozial geprägten Einstellung. Ich hab mich quasi
„zwischengeparkt“.
An meinen
ersten Arbeitstagen große Verwunderung: Sobald der Chef im Büro ist, flüstern
meine Kolleginnen nur noch. Gewitterstimmung. Bald begreife ich – sie haben
Angst. Und sehe auch, warum. Er kennt weder Bitte noch Danke, geizt dafür nicht
mit abschätzigen und sarkastischen Bemerkungen über deren Arbeit, qualifiziert
sie permanent ab. Arbeitsanweisungen werden im Stile eines Befehls geäußert.
Eine
Kollegin seit Jahren stets nur befristet angestellt und das auf Stundenbasis,
obwohl regulär 30 h/Woche arbeitend. Heißt: Sie muss sich Stundenzettel
unterschreiben lassen. Von mir vermuteter Grund: So muss er ihr eventuelle
Kind-krank-Zeiten nicht bezahlen. (In meinem AV stand, für Erkrankung des
Kindes gibt es keine Lohnfortzahlung. Was ich befremdlich fand, mich persönlich
aber nicht tangierte.) Den nächsten befristeten Vertrag für sie gab
es jeweils erst Mitte Dezember, so dass sie sich im Herbst jedes Jahres bei der
Agentur für Arbeit wieder als arbeitssuchend melden musste. Aufstockerin war
sie ohnehin.
Einer
anderen Kollegin hatte er bereits im Vorstellungsgespräch mitgeteilt,
eigentlich müsse er ihr gar nicht so viel zahlen, weil sie schließlich einen
Mann zu Hause habe, der auch Geld verdient. Unfassbar. Beide waren keineswegs
mit niederen Tätigkeiten betraut (falls es so etwas überhaupt gibt), sondern
leisteten qualifizierte Arbeit, für die man Köpfchen braucht und ein Händchen
für Menschen. Woher sie ihre Motivation nahmen, über Jahre hinweg dort zu
arbeiten? Weil sie die Arbeit an sich eigentlich mochten. Und aus der Angst
heraus, arbeitslos zu werden, im Hintergrund die Familie. Beide waren bereits
in der Vergangenheit mit schwierigen Zeiten in punkto Job inklusive Mobbing
(Bossing) konfrontiert.
Gleich an
meinem ersten Arbeitstag erfuhr ich, dass der Chef wünscht, man möge ihm
mittags sein Essen aufwärmen und servieren. Eindecken, Abräumen, Abwasch
selbstredend inbegriffen. Erwartet wurde zudem, dass das Mittagessen gemeinsam
eingenommen wird. Wogegen grundsätzlich nichts zu sagen wäre, so die Atmosphäre
passt bzw. kein Zwang ausgeübt wird. So aber blieb mir der Bissen im
Halse stecken. Ich habe mich dem schnell verweigert. Ohne Konsequenzen. Habe
ihm sachlich und bestimmt die Stirn geboten, Respekt eingefordert. In diesem
Falle hat es funktioniert. Und immerhin waren wir nach einem erstaunlich
offenen Gespräch, das möglich wurde, nachdem ich meine Kündigung auf den Tisch
gelegt hatte, auf Augenhöhe. Hinter dem Tyrannen steckte ein Mensch, selbst
zutiefst frustriert und leider nicht in der Lage, seine Umwelt für seine
Frustration nicht büßen zu lassen.
Alles in
allem dennoch verstörend. Eine solche Arbeitsatmosphäre war ich nicht
ansatzweise gewohnt. Beide Frauen haben zwischenzeitlich wechseln können und ich hab mich darüber gefreut wie 'ne Königin.
2. Station: Öffentlicher Dienst
Diesen Job
wollte ich, nach mehreren guten Vorgesprächen und angesichts guter Konditionen.
Die erste
kühle Dusche erfuhr ich beim Unterschreiben des Arbeitsvertrages – die Höhe des
Gehalts, das mir im Vorstellungsgespräch genannt worden war, sei laut
Einstufungstabelle des Öffentlichen Dienstes nicht realisierbar.
Dann recht
bald das böse Erwachen: Arbeiten mit minimaler Kommunikation und Information.
Arbeitsaufgaben, die mir böhmische Dörfer waren, und die per E-Mail erteilt
wurden - ein bis zwei Sätze ohne jegliche Hintergrundinfos. Infos, die mir oft
auch meine Kollegin nicht geben konnte, so dass ich sie tatsächlich ergoogelt
habe (Personen, Telefonnummern etc. pp.) Die Mails dazu immer wieder einmal
vollkommen kryptisch, da das Smartphone-Diktiergerät unpräzise Gesprochenes nicht in sinnvolle Inhalte zu übersetzen vermag. Feedback gleich null,
persönliche Abstimmung per Gespräch selten und nur auf meine Bitten hin.
Generell ein Gebaren, das deutlich machte, man möge die Chefin nur im
Ausnahmefall mit Rückfragen behelligen. Die oft genug auch dann, ob verbal oder
per E-Mail, unbeantwortet blieben, selbst im Wiederholungsfall.
Dafür waren
Abwesenheitsberichte zu schreiben, wenn sie außer Haus weilte, sprich: Was habe
ich während ihrer Abwesenheit gearbeitet? Morgens Rapport zu erstatten: Was
habe ich gestern getan, was gedenke ich heute zu tun?
Richtig
schräg wurde es, als ich erfuhr, dass die wöchentlichen, nahtlos
aufeinanderfolgenden 10-min-Termine für Gespräche mit den Teammitgliedern per
(Eier-)Uhr überwacht werden. War das Zeitlimit erreicht, durfte ich meinen Kopf
ins GF-Büro stecken und darauf hinweisen. Gern auch zwei- oder dreimal, falls
es länger dauert. Wichtig: Der nächste 10-min-Gesprächsteilnehmer sollte
jeweils schon vor der Tür angetreten sein. Weshalb ich während dieser Zeit
permanent zwischen den Büros pendelte, um Gesprächsteilnehmer wahlweise auf
einige Minuten später zu vertrösten oder mitzuteilen: Jetzt geht’s los!
Als absolute
Unbotmäßigkeit wurde mir ausgelegt, eine freie Ablagefläche in Reichweite für
Wasserkrug und Obstteller zu nutzen. Ohne vorher zu fragen! Die Fläche war und
blieb frei, war aber reserviert für … ja, weiß ich nicht.
Und auch
hier wieder: Die Chefin wünscht, nein fordert, bedient zu werden. Wasserflasche
bereitstellen, Teekanne auf’s Stövchen, Tasse. Nachmittags alles retour, gern
auch Obstreste. Als ich ihr nach einer Woche zu verstehen gab, dass ich dies
als unschön empfinde und nicht als Teil meiner Arbeit, lautete die
unmissverständliche Antwort: „Dann muss ich darüber nachdenken, ob wir
zusammenpassen“.
Verschärfend
hinzu kam die Hackordnung innerhalb des vorwiegend alteingesessenen Teams. Als
GF-Assistentin und Neue saß ich auf der untersten Sprosse der Leiter. Bereits
von Beginn an wurde unverhohlen darüber diskutiert (und auch offen adressiert),
womit wir Assistentinnen uns wohl tagtäglich die Zeit vertreiben
mögen. Mir ist nie vorher so viel Ablehnung (auch der
Zusammenarbeit) und Misstrauen begegnet. Dies nicht zuletzt, weil ich als
Blitzableiter fungierte für das unerquickliche Verhältnis zwischen GF und Team.
Anfangs habe ich versucht, mir durch Hilfsangebote Vertrauen zu erwerben,
jedoch gleichzeitig angesichts unsachlicher Kommentaren deutliche Grenzen
gesetzt. Später habe ich resigniert.
Im September
wurde ich krank. Ich nehme an, Körper und Seele haben sich die Hand gereicht,
gesagt: Schluss jetzt damit. War es mir doch morgens zunehmend schwerer
gefallen, den Gang ins Büro anzutreten. Während meiner Krankschreibung
flatterte mir Ende September die Kündigung in der Probezeit ins Haus. Schock, dahinter
Erleichterung.
Fazit: Eine
extrem demotivierende Arbeit (ich wusste bis zuletzt selten, was ich tue, d. h. zu
welchem Zweck) und Arbeitsatmosphäre, geprägt von fehlender Information,
Kommunikation (es sei denn: von oben nach unten) und Kollegialität.
3. Station: Onlinehandel
Oh, was hat
man mir Honig ums Maul geschmiert im Vorstellungsgespräch! Ich könne so vieles,
stünde für sorgfältiges und strukturiertes Arbeiten. Jemand, auf den man sich
verlassen könne. Man wolle recht lange mit mir zusammenarbeiten, sei ein
pflegeleichtes GF-Team und die Atmosphäre im Haus top. Man wolle mich langsam
einarbeiten, damit mich der Stress der Vorweihnachtszeit nicht gleich in voller
Härte träfe. Im Neuen Jahr ginge es dann ohnehin entspannter zu.
Ich hatte echt
Lust auf diesen Job. Wirklich. Die Vielfalt der Aufgaben, Kundenkontakt, ein
lebendiges, junges Team. Neues lernen.
Und das tat
ich dann auch. Eine komplexe, tolle Datenbank, Buchhaltung, Kundenbetreuung,
Reklamationsbearbeitung etc. pp. Freundliche Kolleginnen. Ich war Feuer und
Flamme und hab mich mit Begeisterung reingekniet.
Nach nur
zwei Wochen wurde mir mitgeteilt: Du bist zu langsam. (Man hatte meine eMails
an Kunden gezählt.) Zwar schätzen wir deine Sorgfalt sehr, aber so viel
verdienen wir an einem Kunden nun doch nicht, als dass sich der zeitliche
Aufwand lohnt. Mehr Tempo! Mut zum Fehler! Ich gab zu bedenken, dass ich gerade
einmal zwei Wochen da wäre, Sortiment, Datenbank, Aufgaben komplett neu seien
und ich die – tagesfüllende – Kundenbetreuung eigentlich nur unterstützen
sollte. Als Assistentin eingestellt worden sei. Ja, das wäre richtig. Und nach
dem Weihnachtsgeschäft verliefe auch alles wieder in ruhigeren Bahnen. Bis
dahin aber: Gas geben!
Für den
Kundenservice wurde eine Kollegin eingestellt; die Telefonate blieben jedoch
bei mir. Gleichzeitig brach die Hölle los. Die nur kennt, wer mit der
Kombination aus Einzelhandel und Weihnachtsgeschäft vertraut ist. Zwei Telefone
in meinem Büro, die von morgens bis abends parallel zueinander klingelten. Hab
interessehalber mal 60 Minuten lang mitgezählt: zwölf Telefonate
(Reklamationen, Fragen zum Sortiment, wann kommt meine Lieferung?), sechs
Mails, alle Vorgänge in der Datenbank zu dokumentieren. Beim stetigen Klingeln
des Telefons Konten gecheckt, Sendungen nachverfolgt bzw. Nachforschungsaufträge ausgelöst, Händlerabrechnungen erstellt.
Reklamationen ausgepackt und deren Weiterbearbeitung festgelegt. Nach Feierabend
war ich erschöpft bis auf die Knochen. Hoffte aber auf Januar und gemäßigtere
Arbeitstage.
Bis mir
immer klarer wurde – es geht hier nicht in erster Linie um schöne Accessoires
oder Kundenzufriedenheit. Es geht um Geld. Möglichst viel, möglichst schnell.
Ernüchterung machte sich breit und kurz vor Weihnachten war mir klar, dass ich
so auf lange Zeit weder arbeiten kann noch möchte. Ich stehe für eingehaltene
Zusagen, für Vorgänge, die begonnen und erledigt werden, für Qualität. Ich
möchte Freundlichkeit ausstrahlen können, anstatt beim xten Anruf in Folge zu
denken: Mensch, lasst mich einfach in Ruhe … Möchte arbeiten und dabei gesund bleiben können.
Am Morgen
des 23. Dezember hieß es: „Wir müssen mal reden.“ Und schwupps – die Kündigung!
„Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass du hier nicht am richtigen Platz
bist. Du arbeitest gern sorgfältig und strukturiert, hier jedoch wird immer ein
Stück weit Chaos herrschen.“ Ja, liebe Frau X und Herr Y. Recht habt Ihr. Aber
schön doch, dass ich über die Irrsinnswochen vor Weihnachten mithelfen durfte,
Euren Umsatz einzufahren.
Meine lieben
Kolleginnen waren schockiert, als ich am Montag vor Heiligabend kaum gekommen,
wieder gehen durfte. Ein exzellentes Instrument, den anderen vor Augen zu
führen, wie schnell es gehen kann …
Was verbindet all diese Erfahrungen?
Ich habe
überall immer wieder Angst gespürt. Unterschwellig oder ganz offen. Angst vor
dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn man vor dem Vorgesetzten nicht die Hacken
zusammenknallt und sagt: Jawoll.
Eine Art
Führungskultur war nicht erkennbar, es sei denn: Ich, der Chef, sag Dir, wo’s
langgeht und Du, die Mitarbeiterin, tust es, aber bitte unverzüglich.
Information,
Kommunikation auf’s absolut Unerlässliche beschränkt. Fragen eher unerwünscht,
weil die kostbare Zeit des Chefs beanspruchend. (Du bist zwar neu hier, aber
kümmere Dich einfach…)
Augenhöhe?
Was ist das?
Wertschätzung?
Feedback? Nicht gemeckert ist genug gelobt. Anders gehandhabt natürlich bei
negativem Feedback.
Eine meiner
Ex-Kolleginnen sagte mir: Du hast Eier, deshalb wirst Du hier gut klarkommen.
Nee. „Eier“ sind das Letzte, das ein Chef sich vom Mitarbeiter wünscht.
Und wofür war's gut?
Um meine
Stehaufmännchen-Qualitäten zu trainieren? Um am eigenen Leib zu erfahren, was
ich bisher nur aus Medienberichten wusste in punkto deutsche Arbeitswelt? Zu
erkennen, wohin ich nicht gehöre? Wahrscheinlich etwas von alldem.
Extrem
irritierend war, zweimal in Vorstellungsgesprächen auf Personen hereingefallen
zu sein, die kurze Zeit darauf die Maske fallen ließen. Das hab ich mir zuerst
als böses Versagen und Naivität angerechnet. Andererseits: An überzeugenden
Selbstverkäufern mangelt es in unserer Gesellschaft nirgends. Davor ist
wahrscheinlich keiner gefeit.
Abgesang:
Vielleicht glaubt der eine oder andere, ich hätte ein wenig übertrieben in
meinen Erzählungen, Dinge überspitzt dargestellt, um mir Luft zu verschaffen.
Nun - ich wünschte, dem wäre so. Wie Menschen mit Menschen umgehen – die
verbleibende Zeit meines Lebens wird wohl nicht ausreichen, das zu verstehen.
Die Hamburger Deichkinder trällerten dazu bereits 2014 ein Liedchen, das heute aktueller denn je sein dürfte:
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