Schade, dass die Bigotterie = Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft – dieses „Alles kann, aber bitte heimlich“ -, die Negierung der sexuellen Komponente und damit einer der stärksten Triebkräfte des Menschen, auch die sinnlichen und Tantramassagen in Verruf gebracht hat. Als wäre einvernehmliche Sexualität je etwas Schmuddeliges, Anrüchiges. Ich halte sie grundsätzlich für eine Ebene, auf der die wohl ehrlichsten, ungeschöntesten Begegnungen überhaupt möglich sind. Voraussetzung: Der jeweils andere wird als Mensch gesehen. Nicht – als Objekt.
Und tatsächlich ist sie doch wohl Grundlage allen Lebens. Oder
gibt’s da draußen wen, der mittels „unbefleckter Empfängnis“ das Licht der Welt
erblickt hat? Falls ja – bitte melden …
Ein Flyer des Massagestudios ziert noch immer meine Pinwand:
„Anfassen ist simpel, Berühren ist Kunst.“ Diese Kunst habe ich mit Hingabe und immer
wieder auch Staunen erlernt, mich ihr mit ganzem Herzen (ja, vor allem anderen
das) gewidmet. Über viele Stunden und ganze Wochenenden hinweg, angeleitet von
erfahrenen Masseurinnen. Die mir und anderen neben all den sanften und festen
Techniken, die zu lernen waren, die Essenz, das Innerste dieser Massagen
verständlich werden ließen - jenes Geben aus dem Herzen heraus. Mit Passion, Leichtigkeit
und Authentizität. Und für jeden, der nun glaubt, so etwas müsse man doch nicht
erlernen: Nun, weit gefehlt. In meinem Sekretär ruhen Seiten über Seiten mit Massageabläufen
und Ritualbeschreibungen. Die zwar nicht in Stein gemeißelt sind und variiert
werden können, aber doch aufeinander aufbauen.
Während der Seminarwochenenden habe ich Dinge erlebt, die
ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Menschen, die sich – einander eben
noch Fremde – füreinander öffneten. Sich zeigten, Masken und Mauern fallen
ließen, die im Alltag unverzichtbar scheinen. Nicht mehr perfekt sein müssen,
nicht mehr immer nur stark und souverän, einfach sein dürfen, wer man ist mit
jeglicher Imperfektion oder Schwäche – daraus entstehen Leichtigkeit und tiefe
Akzeptanz. Über alle Altersstufen hinweg. So viele berührende Momente: Lachen und
Weinen, Fröhlichkeit und Überschwang oder andächtige Stille. Jede Emotion oder persönliche
Erzählung akzeptiert ohne Bewertung. Wie gut sich das anfühlt. Wie gut auch, im
anderen sich selbst wiederzuerkennen in seiner Emotionalität oder
Verletzbarkeit. Magische Stunden. Nicht durch in erotische Schwingungen gebadete
Räume, sondern durch Unverstelltheit in der Begegnung.
Nachdem ich meine Prüfung als sinnliche – später Tantramasseurin
– bestanden hatte, waren da trotz des ausführlich gelernten Handwerks (im
wahrsten Sinne des Wortes) anfangs noch Zweifel, Vorbehalte, einfach so’n
Flattern im Bauch. Was, wenn ich den Körper des Empfängers unästhetisch finde?
Kann ich ihn dennoch massieren? Was, wenn die Chemie nicht stimmt? Was, wenn er
übergriffig wird? Könnte ich mit alldem umgehen?
All diese Vorbehalte lösten sich für mich in der Realität bald
auf bzw. fand Befürchtetes wie Übergriffigkeit gar nicht statt. War doch erstes Gebot unseres Studios respektvolles Geben und Nehmen. Körperliche
Vereinigung ohnehin ein No-go. Ob hier außerdem die eigene Ausstrahlung, das eigene
Agieren, sprich: nonverbale Ziehen von Grenzen, eine Rolle spielten, weiß ich
nicht. Möglich gewesen wäre jenes übrigens auch verbal/unmissverständlich. Gäste,
die sich nicht an die Regeln hielten, durften ohne Wenn und Aber hinauskomplimentiert werden. Aber s. o. - mir selbst ist Ähnliches nie begegnet.
Wie habe ich gearbeitet?
Ich habe meinen Raum – und in welch atmosphärisch und liebevoll
gestalteten Räumen ich massieren durfte! – vorbereitet. Alles frisch plus Duft und
Kerzen und Musik, nicht zu vergessen das Stövchen, um das Massageöl zu erwärmen.
„Meinen Raum“ in des Sinnes doppelter Bedeutung: nicht nur mein Massageraum für
diesen Tag, sondern auch mein „Königreich“, weil hier meine Spielregeln gelten,
ich das Geschehen gestalte. Während der Vorbereitung hab ich mich auf den Tag
eingeschwungen, mich in die Masseurin Roxelane verwandelt. Manchmal gedanklich
noch einmal Massagesequenzen rekapituliert. Was kann ich besser machen, was anders?
Wo hab ich noch Unsicherheiten in punkto Ausführung der Massage?
Dann das Vorgespräch mit dem Empfänger der Massage. Wie
fühlt er sich? Was wünscht er sich? Gibt es gesundheitliche Einschränkungen? Fragen zum Ablauf?
Die Massage wurde von Kopf bis Fuß gegeben. Oder auch
andersherum, je nach Wunsch. Ich selbst hab erstere Variante bevorzugt. Meine
Lieblingsregionen dabei gar nicht mal das Intimste, sondern Kopf, Rücken, Po, Füße bzw. Gesicht, Hände, Brust. Eine wirklich gut
gegebene sinnliche oder Tantramassage lebt ohnehin vom langsamen
„Anschleichen“, Steigern der Lust. Ist niemals der schnellste Weg von A nach B.
Oder O.? Nicht zuletzt das macht für mich neben der Ganzheitlichkeit ihren
Zauber aus. So wie knisternde Erotik, Sinnlichkeit, immer nur entstehen kann, wenn
man sich Zeit dafür nimmt. Langsamkeit ist Trumpf. Erregung, Besänftigung, Erregung
- bis hin zum „Finale“. Das kann, aber nicht muss. Techniken beschreibe ich nicht, weil: Wer’s kennt, dem muss ich nichts erzählen, und wer’s
nicht kennt, dem würden dürre Worte wenig sagen. Bei Interesse einfach den
Tantramassagefilm von Ananda Wave bestellen. Oder ein Seminar besuchen. Oder eine Massage (Empfehlung: laaaang!) dort
buchen, wo „Tantramassage“ nicht nur als Etikett fungiert. Gibt's übrigens auch für Paare. Und für Frauen (so sie sich trauen) dürfte sie ein wahres Aha-Erlebnis sein.
Je länger eine Massage, desto erfüllender. Am liebsten: mehrstündige
Tantrasessions. Die zwar ausgeprägtes Wissen über Ritual, Massagetechniken und
Ablauf erfordern und nicht zuletzt körperliche Fitness, weil auf dem Boden
gegeben, doch Masseurin und Empfänger mehr Zeit lassen, sich aufeinander
einzustellen bzw. aus dem Kopf in den Körper „zu wandern“. Ein Ritual, aus dem
man, dieser festen Überzeugung bin ich, anders in die Welt zurückkehrt als
gekommen. Friedlicher. Ruhiger. Einverstandener mit sich selbst und dem Leben.
Manchmal wohl sogar, hab ich mir sagen lassen: geheilt auf die eine oder andere
Weise.
Grönemeyer sang einst „Männer brauchen Zärtlichkeit“. Und
das war etwas, das sich mir am stärksten eingeprägt hat - die Erkenntnis, dass
viele Männer, allzu oft den harten Kerl spielen müssend, sich nach Sanftheit,
Streicheln, Zärtlichkeit, dem Gefühl der Geborgenheit sehnen. Manchmal vielleicht
stärker noch als nach: Lust. Sie dieses Loslassendürfen und Nichtsbeweisenmüssen
als luxuriöses Geschenk empfinden. Die Gelegenheit, ihre weibliche Seite auszuleben,
die in jedem von ihnen wohnt, so wie wir Frauen auch männliche Anteile in uns tragen. Sich hinzugeben.
Und genau das habe wiederum ich als Geschenk empfunden:
diese schrankenlose Hingabe, das Vertrauen in die Situation, in mich als
Masseurin, die ich immerhin eine Fremde war. Was zurückflutete, war am Ende Dankbarkeit,
Wärme, Frieden … nicht wilde Lust,
geschweige denn Gier.
In allem ein wahrer Austausch positiver Energien. Keine Vereinigung der Körper, vielleicht aber der Seelen
für diese Momente. Magisch jedenfalls.
Ich habe schnell gelernt, unter die Oberfläche zu schauen. Der
„perfekte“ Körper eine Nebensache, die ich zwar durchaus genießen konnte, die aber
nicht maßgeblich war. Gerade Männer, denen zum Womanizer einiges fehlt, können
sehr viel Wärme ausstrahlen, Dankbarkeit. Zuwendung, die mancher von ihnen
vielleicht selten erfährt, ein kostbares Geschenk. Was mich berührt hat, lag
unter der Haut. Ja - Gepflegtheit ist ein Muss. Schönheit nicht.
Oft habe ich lächelnd gedacht: Mit dem, was ich hier tue, trage
ich ein Stück weit zum Weltfrieden bei. Ich befriede Menschen. Lasse sie sanft
werden, für den Moment wunschlos und einverstanden mit der Welt, dem Leben. Oh,
ich wiederhole mich … das macht wohl, dass ich gerade gedanklich ganz und gar
in diese Zeit zurückgetaucht bin.
Noch etwas, das ich sehr gemocht habe: das Spielerische. Für
mich der Unterschied zwischen Erotik und Sex. Zu lernen, was alles möglich ist
an Berührung und erotisierenden Reizen.
Immer wieder einmal denke ich, dass jemand, der sinnliche oder
Tantramassagen nie erlebt hat, im Grunde nicht weiß, was Lust sein kann. Welche
Tiefe ihr innewohnen kann, welche Verspieltheit, welche Innigkeit. Welche
Verbindung sie schafft weit jenseits des Verstandes, der Ratio. Hat doch der
Körper seine eigene Sprache, die sich in Worte nicht übersetzen lässt. Lust
muss nicht immer, kann aber – ein Ritual sein. Wenn sie langsam ist und den
anderen sieht, seine Wünsche, seine Bedürfnisse. Muss man natürlich wollen ...
Sinnliche Massagen und Tantramassagen sollten immer mit dem
Herzen, aus dem Herzen heraus, gegeben werden. Das klingt für Outsider wahrscheinlich nebulös,
aber besser kann ich’s nicht erklären. Oder vielleicht einfach so: Man muss mit dem Herzen dabei sein, mit ganzer Aufmerksamkeit. Weshalb ich mir nach einer Massage jeweils viel Zeit genommen habe, um zu mir selbst zurückzukehren. Und ich habe diese Massagen in gewisser Weise als „Einbahnstraße“ empfunden.
Ich schenke Lust und ja, diese Lust kehrt auch zu mir zurück, doch nur bis zu
einer klar definierten Grenze. Die Gebende bin ich und nur ich; jegliches Mehr
ein Zuviel. Als fügte man einem vollkommenen 5-Gänge-Menü einen weiteren Gang
hinzu.
Ja. So war das also. "Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreu'n... (Puhdys) Und so habe ich mich irgendwann aus dieser Lebensphase verabschiedet. Ein kleines Bedauern darüber stellt sich dann und wann noch ein.
Am Ende dieser kleinen Schwelgerei in vergangenen Zeiten bedanke
mich bei jenem Menschen, der mich vor Jahren mit der Nase auf diesen außergewöhnlichen
Weg gestupst hat und bei allen wundervollen Menschen, die mir in jenem
Universum begegnet sind. Die gesellschaftliche Konventionen gegen den Strich bürsten und ihre eigenen, sehr individuellen Wege gehen. Konsequent und ohne das
Bedürfnis, sich beständig dafür rechtfertigen zu müssen. Ich hab viel von Euch
gelernt. Danke. Last but not least eine Verneigung vor jener Frau, die das Universum der sinnlichen Massagen in Dresden einst gründete und deren Credo würdevoll gelebte Sexualität ist.
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