Montag, 27. Januar 2020

Immer wenn ich Kinder sehe

„Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“ Erich Kästner

Meist begegne ich ihnen morgens auf dem Weg zur Arbeit: kleinen bunten Zwergenkutschen, geschoben von Tagesmuttis. Die Knirpse darin hübsch angezogen und ganz wach mit roten Bäckchen und Stauneaugen rundherum blickend. Jeder von ihnen schon eine kleine Persönlichkeit. Oder Schulklassen, begleitet von Lehrern, wenn sie sich ordentlich in Zweierreihe am Bordstein aufstellen, ehe es über die Straße geht. Klassenausflug. Vielleicht eine Wanderung, vielleicht ein Museumsbesuch. Oder in den Zoo? Heut jedenfalls kein Schultag - super! Aufgeregt plappern sie durcheinander, halten sich manchmal an den Händen. Ein Kind hübscher als das andere. Ich glaub sowieso, die Kinder heute werden immer hübscher.



Immer wenn ich Kindern begegne mit ihrer Lebendigkeit, ihrer wachen Neugier auf einfach alles, ihrer Echtheit in allem, wünsche ich aus tiefstem Herzen:  Möge jedes von euch geliebt und geborgen aufwachsen. Geliebt einfach nur deshalb, weil es euch gibt. Nicht zuerst dafür, was ihr könnt, anderen voraushabt, was aus euch einmal werden könnte. Gesehen und geliebt sollt ihr werden als die, die ihr seid mit eurer Fantasie und allen Träumen und Wünschen, die euch innewohnen. Jenseits von Etwas-erreichen-Müssen. Und möge es jedem von euch gestattet sein, ein großes Stück eurer Unbefangenheit und Ehrlichkeit ins Erwachsenendasein hinüberzuretten.

Möget ihr Zeit haben, zu wachsen und zu reifen in eurem eigenen Tempo, geführt von kluger und sanfter Hand und immer entlang dessen, was euch im Kern ausmacht. Möget ihr ausreichend Zeit haben, zu spielen und zu entdecken, wer ihr seid, was euch begeistert. Zeit, euren ureigenen Weg zu finden. Ich wünsche euch, dass ihr Eltern habt, die euch Werte lehren, die zählen, Werte, auf die ihr ein Leben lang bauen könnt.

Lasst euch nicht fernsteuern und kriecht nicht den vielen falschen Propheten auf den Leim, die uns allen tagtäglich verkünden, wie man leben sollte. Findet es selbst heraus und verliert nie die Tuchfühlung zu dem, was euch im Innersten ausmacht. Und wenn ihr auf dem Weg durchs Leben einmal die Richtung zu verlieren scheint, wünsche ich euch die Klarheit, zu erkennen, wohin ihr eigentlich wolltet und den Mut, dorthin abzubiegen. Ich wünsche euch ein Leben, in dem ihr euch stets wiedererkennt.

Zweifelt die Wege der Herde an. Nur, weil alle es tun, alle es denken, muss es noch längst nicht richtig sein. Sagt euch wer: „Du musst“, stellt es infrage. Sagt euch wer: „Das geht nicht“, stellt es infrage. Lasst euch euren Schneid nicht abkaufen und lernt Echtes von Talmi zu unterscheiden.

Immer wenn ich Kinder sehe, der innige Wunsch: Möge keines von euch quicklebendigen, fröhlichen Wesen später einmal zur freudlosen Armee derer gehören, die morgens mit stumpf gewordenen Augen und Träumen zu einem Arbeitsplatz traben, radeln, fahren, der nur aufs nächste Wochenende hoffen lässt.

Möge es euch kleinen Menschen gelingen, das Kind in euch immer zu bewahren. Die Freude am Spielen und all den Dingen, die eure Augen leuchten lassen, über denen ihr Raum und Zeit vergesst. Bewahrt euch die Fähigkeit, zu staunen und eure Neugier und Fantasie. Ich wünsche euch eine glückliche Reise durchs Leben.

Ja - all das geht mir durch den Kopf, wenn ich Kinder sehe.


2 Kommentare:

  1. Mit viel Liebe und Weisheit geschrieben!

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    1. Mein erster Kommentar und dann ein so schöner. Danke!

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