YouTube-Videos anstatt Morgenmüsli:
Nein, so wollte ich meinen Mittwoch eigentlich nicht beginnen. Und werde diese
Variante unguter Morgenroutine definitiv nicht kultivieren. Weil’s nun aber schon
passiert ist und meinen Kopf ordentlich beschäftigt, schreib ich etwas dazu.
Via Facebook-Post stieß ich auf ein
YouTube-Video der auflagenstärksten Boulevardzeitung Deutschlands, jener mit
den vier weißen Buchstaben auf rotem Grund. Betitelt: „Schluss mit dem
Starrsinn in der Corona-Politik!“ Nanu … was geht denn hier ab?
Im Video vom 27. April 2020 stellt
Chefredakteur Julian Reichelt die Corona-Strategie der deutschen Regierung
massiv infrage. Im Stile eines Frontalangriffs gegen die Sinnhaftigkeit der staatlicherseits
verordneten Maßnahmen und Sichtweisen. Gegen den verordneten Konsens, der von
allen etablierten Medien und Kanälen mitgetragen wurde. Und unter mehrmaligem
Verweis auf die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für unser Land. Wenn man
den Kommentaren unterhalb des Videos Glauben schenken will, vollführt das Blatt
damit eine überraschende Wende um 180°, nachdem es Kritiker der deutschen
Corona-Politik kurz vorher noch in bewährter Manier verunglimpft hatte.
Aber wieso? Und wieso so plötzlich?
Ist es ein Versuch, dem deutschen Michel nach dem Mund zu reden, der auf all die
Restriktionen, deren Ende nicht in Sicht scheint und die widersprüchlichen
Aussagen zu Sinn und Unsinn dieser (z.B. Maskenpflicht) zunehmend verärgerter
und verständnisloser reagiert? Damit man seine Leser nicht verliert? Verhindert,
dass sie abwandern zu alternativen Infoquellen?
Oder hatte die Chefredaktion das betreute Denken und Publizieren einseitiger Sichtweisen selbst so satt, dass sie einfach
mal mutig vorgeprescht ist, um der flächendeckenden Meinungseinfalt etwas
entgegenzusetzen?
Solch hehre Gründe zu unterstellen
fällt schwer, schließlich ist Meinungsmache deren Kernkompetenz und einträgliches
Hauptgeschäftsfeld. Was also könnte die Kehrtwendung initiiert haben?
Denkbare Hintergründe erläutern Herman
& Popp in ihrem YouTube-Video „BILD-Zeitung auf neuem Kurs“. Kurz zusammengefasst: Größter Aktionär des Medienhauses Axel Springer, damit u. a.
der BILD, ist seit Ende 2019 der New-Yorker Investmentfonds KKR. Und um die
Verkaufszahlen anzukurbeln, sollte offenbar der Sportteil des Blattes erweitert
werden. Schwierig bis unmöglich, wenn Großveranstaltungen auch auf diesem Gebiet bis auf
Weiteres nicht stattfinden. Muss man also dran drehen. Zudem ist der Eigentümer von
KKR, Henry Cravis, Mitglied der Republikaner und hat den Wahlkampf von
Trump maßgeblich unterstützt. Wortlaut Andreas Popp: „… könnte es sich im
Nachhinein herausstellen, dass KKR in Verbindung mit Donald Trump … hinter den
Kulissen beginnt, die Interessen Donald Trumps (in Deutschland, d. V.) durchzusetzen … mithilfe solcher
wichtigster politischer Strukturen. Die vierte Staatsmacht ist die Medienmacht
und Medienmacht Nr. 1 in Deutschland ist die BILD …“
Gründe der überraschenden 180°-Wende
von jetzt auf gleich dürften also eher nicht nicht das Bemühen um Aufklärung
und der Wunsch nach journalistischer Meinungsvielfalt, (wirtschafts-)politischer
Vernunft und Humanismus sein, sondern auch hier wieder: Geld. Macht. Einfluss. DIE
Treiber der globalisierten Wirtschaft & Politik und deren Akteure überhaupt.
Also alles wie gehabt. Meine
Verwunderung legt sich. Spannend könnte sein, die Reaktionen auf die unbotmäßig
konträre Wortmeldung des Chefredakteurs im deutschen Blätterwald zu verfolgen
und – gegebenenfalls – deren Auswirkungen auf eine Reihe politischer Entscheider in Deutschland.
PS.
Der Springer-Konzern beeinflusst mit seinen Veröffentlichungen und damit dem Grundtenor der publizierten Meinungen bei weitem nicht nur die Leser der BILD. Hier ein Überblick über die Springer-Medien
Und wer sich in der Vergangenheit hin und wieder - so wie ich - über die sehr ähnliche, manchmal fast identische Berichterstattung innerhalb unserer Medienlandschaft besonders zu Tagesthemen gewundert hat, tut's nach dem Lesen dieser Veröffentlichung wahrscheinlich nicht mehr. Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing'. Wem gehören die deutschen Medien?
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