Gustav: vom Katzenwildling zum Kuschelfreak/Teil 1
Mein großer Roter war also weg. Was ich gut verstand. Er hatte mir vertraut und war enttäuscht worden, indem ich ihn in seinem neuen Zuhause - seinem vermeintlich geschützten Raum - eingefangen und zum Tierarzt "verschleppt" hatte. Wo er von Fremden unangenehmen Prozeduren unterzogen worden war. Die Plakataktion blieb ergebnislos, wenn mir Nachbarn auch immer wieder einmal erzählten, dort und da einen roten Kater gesichtet zu haben.
Mein großer Roter war also weg. Was ich gut verstand. Er hatte mir vertraut und war enttäuscht worden, indem ich ihn in seinem neuen Zuhause - seinem vermeintlich geschützten Raum - eingefangen und zum Tierarzt "verschleppt" hatte. Wo er von Fremden unangenehmen Prozeduren unterzogen worden war. Die Plakataktion blieb ergebnislos, wenn mir Nachbarn auch immer wieder einmal erzählten, dort und da einen roten Kater gesichtet zu haben.
Auf der Suche nach einer Antwort auf meine dringlichste Frage, nämlich jener, ob
sich Gustav noch in der Nähe aufhielt, telefonierte ich mit einer Pet Trailerin. Ihrem Hund war es schon mehrfach gelungen, entlaufene Katzen zu lokalisieren. Was sie brauchte, war lediglich ein bisschen Gusti“duft“. Kein Problem, zum einen war da
die Decke im Katzenkorb, zum anderen fand ich ein Büschel roter Haare unter’m Bett.
Nur: Was, wenn der Hund ihn tatsächlich aufspürte? Gusti würde flitzen, soweit
ihn seine Pfoten tragen und nichts wäre gewonnen. Nach gründlicher Überlegung verwarf ich die Idee wieder.
Also hieß es weiter warten und hoffen. Und die
Katzenklappe so zu justieren, dass sie nur nach innen öffnet, sprich: Würde
mein großer Roter seinem Fressnapf eine Stippvisite abstatten, wäre ihm der anschließende Rückzug unmöglich.
Tja. Und wer saß zehn Tage später zerknirscht und nicht grad happy unter
dem Küchentisch? Mein Knickohr. Die Sehnsucht nach „Tinas Fleischtöpfen“ hatte
offenbar gesiegt. Ich konnte mein Glück kaum fassen... Bedauerlich, aber
unvermeidlich: der anschließende Stubenarrest. Damit mein Wildling wieder weiß,
wo sein Zuhause ist. Diesmal waren wütende Kämpfe mit der Katzenklappe an der
Tagesordnung. Die ich mit einem großen und schweren Umzugskarton
verbarrikadierte, anderenfalls er sie früher
oder später aus der Verankerung „geprügelt“ hätte. Doch widerstehe einer
traurigen Katerblicken … Als sich nach
einigen Tagen das Gefühl einstellte, Gusti vertraut mir wieder, ließ
ich ihn springen. Und siehe da, er kam zurück! Hatte sein Misstrauen offenbar
überwunden und schätzte inzwischen wohl auch seinen geborgenen, sicheren Unterschlupf. „Tischlein deck dich“ inklusive.
Mitte Juni 2018 stand mein einwöchiger Kurzurlaub an. Klar
hatte ich Bauchschmerzen: Würde sich mein rotes Sensibelchen mit den neuen
Menschen, die ihn und Anita füttern würden, arrangieren? Einsperren wollte ich
ihn nicht, war doch draußen schönstes Sommerwetter. Freies Leben für freie
Kater. Während der ersten Urlaubstage erfuhr ich via WhatsApp, dass alles
funktionierte, dann aber ward Gustav nicht mehr gesehen. Als ich zurückkehrte,
war er endgültig ausgezogen. Toll. Erneutes Plakatieren der Laternen sparte ich
mir diesmal ebenso wie die Suchanzeige via TASSO, würde er tagsüber doch kaum
in Erscheinung treten. Also aufs Neue Prinzip Hoffnung. All meine Freunde
trösteten mich: Der kommt wieder! Ganz bestimmt! Der weiß doch, wo er
hingehört! Hab nur ein bisschen Geduld … Aber der Sommer ging ins Land ohne
auch nur eine Spur meines Wildlings. Die Katzenklappe blieb umsonst arretiert. Schlau
wie er war, hatte er sich den Trick wahrscheinlich gemerkt und ging kein
zweites Mal in die Falle. Auch würde es draußen Beute für ihn genug geben. Zusätzlich
stellte ich vorsichtshalber an jedem Abend Wasser und Trockenfutter in mein
Gärtlein.
Wieder recherchierte ich kreuz und quer im Internet: Was
konnte ich tun? Wie ihn aufspüren? Am drängendsten auch diesmal die Frage, ob
er reviertreu geblieben war. Da Katzen nachtaktiv sind, schlug ich mir halbe
Nächte in einer benachbarten Gartensparte, einem favorisierten Katzenrevier, um
die Ohren. Erfolglos. Später der Tipp in einem Katzenforum, morgens gegen
eins mit Taschenlampe auf die Pirsch zu gehen; vorher lohne nicht. Uff. Und das
mir, die ich sicher kein Nachtmensch bin. Dennoch ging ich in einer Augustnacht
ein Uhr früh ausgedehnt auf Tour. Um überall in Büschen und Sträuchern grünlich
reflektierende Augenpaare zu entdecken und deren Besitzer mit dem Strahl meiner
Taschenlampe zu hypnotisieren - graugetigerte, schwarz-weiße, selbst rote.
Gustav jedoch nicht unter ihnen. Frustriert schlug ich den Heimweg ein und entschied mich noch für einen kleinen Schlenker am Bach entlang. Wenn schon die Nachtwanderung nichts gebracht hatte, so wollte ich doch wenigstens sagen können, alle potentiellen Katzenverstecke abgeklappert zu haben. Das sollte es dann gewesen sein; mein Bett rief unüberhörbar.
Der letzte Garten am Bach war
verwildert und zugewachsen. Ich ließ den Strahl der Taschenlampe kreisen. Bis er plötzlich – auf ein fluoreszierendes Augenpaar traf. In einem dicken runden
Kopf mit Knickohren. „Hey, Gusti …!“ Das war zuviel: Über’s Entdecktwordensein
keineswegs amüsiert, besann er sich kurz, um eiligst zu düsen.
Mein Herz hüpfte dennoch vor Freude – er war noch hier! Und ganz in der Nähe! Mit etwas Glück, viel Geduld und leckerem Futter würde ich
den Fresssack vielleicht peu a peu in Richtung meines Balkons locken können.
Gesagt, getan. Über mehrere Tage platzierte ich den Fressnapf in jenem
wilden Garten, um Gustav dort zu halten. Aber das Futter blieb
unangerührt. Also versuchte ich es direkt unter meinem Balkon. Morgens war der Napf leer, aber wer hier gespeist hatte, entzog sich meiner
Kenntnis. Nächste Etappe – auf dem Balkon. Ebenfalls an jedem Morgen
ausgeschleckt. Und an der Metallbrüstung rote Fellfusseln ... Also könnte der nächtliche Besucher Gustav gewesen sein! Mein Ehrgeiz als Privatdetektivin war endgültig geweckt. Schließlich die Eingebung: Ich installiere eine Außenkamera, verbunden mit meinem Handy! Schließlich
wollte ich jetzt genau wissen, wer sich nachts am Futter gütlich tut. Und wie meine Chancen
stehen, meinen Wildling wieder einzubürgern.
Ab Ende August 2018 dann aufregende „Big Sister“-Nächte. Aufgrund der Lichtverhältnisse leider nur in schwarz-weiß anstatt in Farbe. Irgendwann um Mitternacht gab mein Handy Laut: die Außenkamera hatte eine Bewegung gemeldet. Verschlafen plierte ich aufs Display: eine fremde Miez, schwarz-weiß gefleckt wie eine Kuh, spazierte über meinen
Balkon. Wenig später die nächste, nein der. Oskar nämlich, aus der Nachbarschaft. Aber hallo, das ist ja ein
reges Treiben! Wieder ein „Pling!“... und es erschien – Gustav. Deutlich zu erkennen an seiner kräftigen Statur und seinem runden, dicken Kopf mit den "angelegten" Ohren. Gemächlich
enterte er die Balkonbrüstung und sah sich lange prüfend um. Sprang schließlich auf
den Boden hinunter, um sein Nachtmahl einzunehmen. Yippieh!
In allen Folgenächten erschienen dieselben vierbeinigen Besucher. Gusti im Unterschied zu den anderen jedoch stets mehrmals pro Nacht. Mehrmals und ausgedehnt. Fraß, putzte sich, beobachtete die Umgebung von seinem Auslug. Er schien meinen Balkon also durchaus noch irgendwie als seins zu betrachten.
Mein nächster 3-Stufen-Plan sah so aus:
1. Ich würde den Futternapf von Nacht zu Nacht ein wenig
näher zur Katzenklappe rücken.
2. Ich platziere den Napf hinter der geöffneten Katzenklappe
in meiner Küche, so dass er von außen gut zu sehen (und zu erschnuppern) ist. Ein langes Bambusstöckchen würde die Klappe
offen halten, so dass er ungehindert ein- und ausgehen könnte. Vertrauen fassen könnte.
3. Ich arretiere die Klappe mit einem kürzeren Bambusstöckchen, das sich löst und zu Boden fällt, sobald mein großer Roter es auf dem Weg hinein berührt. Klappe zu, Gusti gefangen.
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