Die Rockmusik der DDR, besonders die Rockballaden, war reich
an lyrischen Texten mit tiefem Sinn – vertonte Gedichte eigentlich. Zu
meinen Lieblingsliedern gehört noch heute „Wasser und Wein“ von Lift.
"Jeder Tag ist offen wie ein Krug
und am Morgen leer, dass man ihn füllt.
Hat man ihn am Abend voll genug,
wird der Durst der Träume gestillt.
und am Morgen leer, dass man ihn füllt.
Hat man ihn am Abend voll genug,
wird der Durst der Träume gestillt.
Einer schenkt Wasser, einer
schenkt Wein
tagtäglich sich ein.
tagtäglich sich ein.
Jeder Tag hat Fragen, die woll'n
Antwort,
jeden Morgen neu, wenn man sich regt.
Und die Antwort sei, dass man vor'm Spiegel
abends nicht die Augen niederschlägt.
jeden Morgen neu, wenn man sich regt.
Und die Antwort sei, dass man vor'm Spiegel
abends nicht die Augen niederschlägt.
Einer schenkt Wasser, einer
schenkt Wein
tagtäglich sich ein."
tagtäglich sich ein."
Was wären für Euch „Wasser“-Tage? Für mich sind es Tage, an denen
ich nichts auf die Reihe bekomme oder vielleicht doch, aber ohne
Erfolgserlebnis. Tage, an denen ich Dinge vor mir herschiebe, die keinen Aufschub dulden. An denen ich zuviel grübele anstatt ins Tun zu kommen. Tage, die mich von Menschen entfernen, die mir viel bedeuten. An
denen ausschließlich Unfreundliches geschieht und ich mich davon herunterziehen
lasse. Tage, die Niederlagen im Gepäck führen und ahnen lassen, dass das
nächste Problem, der nächste Kampf bereits vorprogrammiert ist. Tage, über
denen als einzige Headline steht: „Du musst“. An denen (Lebens-)lösungen
so fern scheinen wie der Planet Neptun. Tage wie eine fette graue Regenwolke,
die sich ins Unendliche dehnt und nicht den winzigsten Sonnenstrahl durchlässt.
Tage, an denen ich meinem Wunschbild von mir selbst nicht annähernd
entspreche.
Und die „Wein“-Tage? Oh, das sind Tage, die vor Lebensfreude
funkeln! An denen ich mich selbst übertreffe und das Gefühl habe, ich könne die
Welt aus den Angeln heben. Und allein schon dieses Gefühl dazu führt, dass ich
es kann. Jedenfalls meine eigene kleine Welt. Wenn die Puzzleteile des Lebens, vorher
von einer unbarmherzig niedersausenden Faust in alle Richtungen verteilt,
plötzlich wieder ein Bild ergeben, an dem ich weitermalen möchte. Tage, die
eine unerwartete Freude bereithalten, eine Überraschung, gute neue Erfahrungen.
Einen vertrauten Gedankenaustausch mit Freunden, ein liebevolles Telefonat, einen Plausch mit der Nachbarin, Begegnungen mit Menschen, die
warmherzig sind und zugewandt und klug. Oder einen Abend im Theater, der die Fantasie
beflügelt. Schöne Musik. Hören und machen. Tage, an denen ich mich in der Mitte
meines Lebens fühle und wieder weiß: Alles ist möglich.
Beide Varianten erlebe ich pur gegenwärtig selten.
Den flapsigen Spruch „Das Leben ist kein Ponyhof“ möchte ich zwar gern weit von
mir weisen und tatsächlich mag ich ihn kein bisschen, aber leider ist Wahres
dran. Und so habe ich morgens beim Aufstehen oft zuerst den riesigen Wasserkrug
vor Augen. So vieles neu zu ordnen, zu begradigen, anzugehen. Wieder so‘n
„Leg dich lieber wieder hin“-Tag... Aber genau das tue ich nicht. Sondern
krempele die Ärmel hoch und widme mich allem Unangenehmen, Lästigen, aber dennoch
Unvermeidlichen Schrittchen für Schrittchen. Hangele mich am Notwendigen entlang,
um anschließend nach Schönem zu schauen. Dem Spritzer „Wein im Wasser“.
Meist
sind es kleine Dinge, doch mit großer Wirkung. Ein Spaziergang am Bach entlang
und die Schneeglöckchen und Krokusse in den Gärten blühen schon. Die Zwergweide
in meinem Garten, die über und über Kätzchen trägt. Mein roter Kater mit seiner langen Wildlingskarriere,
der heute gelassen mitten in der Wiese vor meinem Balkon sitzt und sich putzt.
Nachrichten von Freunden, die an mich denken. Ein neues Lied, das ich auf der
Gitarre spielen lerne. Ein gutes Buch, das mich für Momente in eine andere
Lebenswelt entführt. Oder wie gerade eben: die Freude daran, Gedanken zu
formulieren und währenddessen ganz bei mir und im Moment zu sein.
„Weinschorle“ also steht bei mir grad auf der Getränkekarte
ganz oben. Zum Wohl! Auf dieses schwerste und doch schönste Leben und Euch alle da draußen!
Und hier geht's zum Lied: Lift: Wasser und Wein
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