Ein Jahr geht zu Ende, ein Ausnahmejahr. 2020 klingt so schön rund, aber rund war’s definitiv nicht, sondern mit so vielen Ecken und Kanten versehen, dass es viele von uns wahrscheinlich gern verabschieden. Das Neue Jahr kann eigentlich nur besser werden. Jedenfalls möchte ich das glauben, wenn auch – siehe Zeitgeschehen – vorerst mit zwei zugedrückten Augen. Doch woran soll man sich festhalten, wenn nicht an der Hoffnung?
Feuerwerk, wenigstens digital ... |
Bei mir waren 2020 wieder einmal Stehaufmännchen-Qualitäten gefragt. „Oh Du lieber Augustin, alles ist hin. Job ist weg, Partner weg, Geld ist weg, Töchter weg, oh Du lieber Augustin, alles ist hin.“ So die Prosaversion, notiert im Tagebuch im Frühjahr. Wenig später löste sich auch die Aussicht auf meinen Wunschjob inmitten freundlicher Menschen aus Gründen höherer Gewalt auf – etwas, womit ich 2020 nicht allein dastehen dürfte. Und im Sommer dann verlor ich meine geliebten Katzen. So rasch hintereinander, dass mir kaum Zeit zum Luftholen blieb. Herbst und Lockdown – das muss an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden. Die Freunde fehlen und Telefonate ersetzen den persönlichen Kontakt nur dürftig. Manchmal wollte ich nur noch die Waffen strecken. Nix mit Aufstehen und Krönchen richten. Muss aber.
Und schließlich – welch ein Glück – gibt’s da auch einiges auf der Haben-Seite zu vermelden. Ein privater Neustart, ebenso überraschend wie schön und zukunftsträchtig. Versöhnung mit geliebten Menschen. Mein Blog. Das Schreiben hat mich ein um’s andere Mal getröstet. Wie auch Euer ermunterndes Feedback. Meine Gitarre und das – wenn auch zögerliche - Wiederanfreunden mit der Kunst des Notenlesens. Schöne Erlebnisse, die mich aus dem Kopf wieder ins Leben geholt haben, so der Besuch im Bärenparadies Müritz und ein Kurztrip an die Ostsee. Menschen, die mich immer wieder wissen ließen, dass unsere Verbindung steht. Unverhoffte kleine Aufmerksamkeiten, die den Tag heller machen. Der kreative Ausflug in die Welt von WordPress und das Basteln an einer Website in Sachen Lektorat, seit Oktober online und hoffentlich gut für ein kleines Nebeneinkommen, nachdem ich „das Klappern, das zum Handwerk gehört“ gelernt haben werde. Auch mit diesem Blog möchte ich irgendwann zu WordPress umziehen. Sobald mir die Zeit bleibt.
Zeit? Habe ich die nicht im Überfluss? Theoretisch: Ja. Praktisch: je mehr Zeit, desto mehr Vorhaben. Bei mir jedenfalls. Und so habe ich gestern etwas in Angriff genommen, das schon lang auf meiner Liste stand – ein kleines Aufräumen meiner Vergangenheit. Schlummerte doch in meinem Kleiderschrank ein Karton in der Größe einer Umzugskiste, randvoll mit Erinnerungen aus Jahrzehnten dichten Lebens. Bündelweise Briefe und Postkarten aus den Zeiten handschriftlicher Korrespondenz. Wahrhaft historische Dokumente wie meine Abschlussarbeit zur Lehrausbildung bei den Sächsischen Neuesten Nachrichten oder mein DDR-Wohnungsantrag. Der bebilderte Bericht zur Jugendweihefahrt unserer Schulklasse nach Weimar. Ein winziges Notizbuch („Muttiheft“), das während der Schulstunden im Ausbildungszentrum Prof. Dr. Zeigner zwischen mir und einer Freundin kursierte - heimlich Aufgeschriebenes über Jungs und Disko und was Mädels mit 16/17 eben so beschäftigt. Dicke Mappen mit Kinderzeichnungen meiner Töchter nebst Schul- und Hausaufgabenheften der 1. und 2. Klasse. Alte Ausgaben der Sächsischen Zeitung zum Hochwasser 2002 in Dresden. Kunstpostkarten, einst begeistert gesammelt. Stammbuchblümchen – wer von Euch kennt sie noch? Liebesbriefe, Geburtstagskarten, Urlaubsfotos, alte Passbilder und – Tagebücher über Tagebücher. Begonnen mit 16 Jahren und fortgesetzt bis heute, wenn auch inzwischen eher unregelmäßig.
Und nun? Weg damit? Unmöglich. Werf ich einen Brief weg, so ist mir, als entsorgte ich den Schreiber gleich mit. Kinderzeichnungen – sowieso ein Tabu. Fotos und Tagebücher? Sind mir lieb und teuer. Bleibt nur: Sortieren. Und so kam es, dass ich weit länger als gedacht in die Vergangenheit zurückgetaucht bin. Lebhafte Erinnerungen an Geschehnisse und Menschen. Manche von ihnen schon nicht mehr unter uns. Glück und Verlust und Freude und Traurigkeit in dichter Folge. Geplatzte Träume, schmerzhafte Erkenntnisse über „Dinge“, die man heut vielleicht anders, besser lösen würde. Doch es ist, wie Søren Kierkegaard einst formulierte: „Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts.“ Und so ist mir die Vergangenheit, wenn auch in Teilen manchmal als Ballast empfunden, gleichzeitig ein unschätzbarer Lehrmeister.
Am Ende dieser „sentimental journey“ gestern habe ich meinen reichen Schatz an Erinnerungen in Papierform zumindest halbieren können. Mehr geht nicht und das ist wohl auch gut so. Schließlich gehört all das zu mir, hat mich geprägt. Die Jahresringe eines Baums, der stärker wird mit jedem neu hinzukommenden, mögen die Zeiten stürmisch sein oder sonnig.
Heute nun fühl ich mich aufgeräumt im wahrsten Sinne des Wortes. Blicke mit gelassener Neugier auf das Jahr 2021, von dem ich im Moment wenig mehr weiß, als dass es leiser beginnen wird als jegliches Jahr vorher. Ja, und dann mal weiterschauen …
Euch wünsche ich für’s Neue Jahr Zuversicht und Kampfgeist, wenn er vonnöten ist. Momente perlender Freude und Leichtigkeit. Tiefen Genuss. Dass Ihr den Erwartungen, die Ihr an Euch selbst habt, genügt. (Oder sie ein bissl weiter unten – im Wohlfühlbereich - ansiedelt.) Dass Ihr all jene Menschen bei guter Gesundheit wiederseht, die Euch jetzt fehlen. Dass Ihr Euerem inneren Kompass vertrauen könnt, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Dass Ihr das Leben lebt mit Kopf und Herz und Bauch. An jedem Tag.
Und einen irischen Segen möchte ich Euch noch mit auf den Weg geben, gefunden in einem Büchlein, das mir vor langer Zeit eine Freundin zum Geburtstag schenkte:
In diesem Sinne - macht's gut. Bis 2021,
Tina
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